Am Dienstag haben Chandia und ich uns auf den Weg nach Moyo, im äußersten Norden Ugandas, gemacht.
Eine eindrucksvolle Fahrt sollte vor uns liegen. Doch diese fing bereits nach kurzer Zeit an "ugandisch" zu verlaufen:
Kaum waren wir 20 Km aus Jinja raus in Lugazi angekommen, steckten wir im Stau. Das ist für Kampala zwar nichts Ungewöhnliches, für Lugazi aber sehr wohl. Kaum waren wir angehalten, sahen wir eine Polizei-Mannschaft vorbei gehen. Bald sahen wir eine weitere Manschaft anrücken. Alle waren in Kampfmontur (Helm, gepolsterte Uniformen, Schilde) und sogar mit Tränengas-Werfern ausgerüstet. Lugazi selbst war völlig überfüllt, überall Menschen, viele in gelben T-Shirts und von überall strömten mehr hinzu. Bald fanden wir den Grund heraus: Es war kommunale Wahl und anscheinend gab es (uganda bzw. afrika-typisch) Probleme. Nach gut 20 Minuten waren wir durch blockierte und überfüllte Strassen durch und fuhren weiter. Doch nur ein paar Minuten später blieb unser Coaster liegen: Keilriemen war hin. Nun standen wir also eine weitere halbe Stunde, verschiedenste Männer probierten sich am Problem und schließlich kam die Kiste wieder zum Laufen... abends gegen halb neun kamen wir am Taxi-Park an: knapp 3 Stunden für rund 70 Km ! Sollte das so weiter gehen, wären wir wohl Tage unterwegs, denn rund 600 Kilometer lagen noch vor uns...
Nach unserer Ankunft dort bahnten wir uns unseren Weg, mit einem Träger (wir hatten bestimmt 30-40Kg Verpflegung für die Verwandten im Norden dabei...) zum Arua-Park. Das ist ein ziemlich herunter gekommener "Bus-Park". Eigentlich eher eine Ansammlung zwielichtiger Gestalten, jeder Menge Ladung, stinkenden Klos und einem sehr belebten "Local-Outdoor-Restaurant". Wir haben die Fahrkarten gekauft (rund 12 € für 600 Km Entfernung) und uns nen Tee und was zu Essen bestellt. Zeit genug war, denn unser Bus sollten erst morgends gegen 4am los fahren...
Nach Tee und Essen und einer Stunde dumm rumsitzen, beobachteten wir, wie die Unmengen an Reis, Posho, Zucker und diverse andere Sachen im Innern des Busses landeten (Ich weiß ja nicht, wieviel so ein Bus laden darf, aber bei den Megen wunderte es mich nicht mehr, dass die Busse hier alle so schief fahren...) Dann machten wir uns auf die Suche nach einem Bier. Komischerweise war das etwas schwer zu finden, obwohl viele Betrunkene und sonstwie angetörnte Leute rum liefen. Finally fanden wir die kleine Bude, bestellten uns je ein Bier und schlugen uns dann eine Stunde mit dem Gerede und den Anmachen der anderen Männer dort rum. Einer war "ganz besonders toll": Ein angeblicher Moyo, der so gar nicht moyo-typisch aussah, dazu auch noch hellbraun war, einen kenianischen Akzent hatte und angeblich sowohl Soldat, als auch Anwalt als auch Volleyball-National-Spieler war, wollte unbedingt nähere Bekanntschaft machen mit uns... naja, Chandia hatte "leider nur ein Dienst-Handy" und ich als Mzungu gab meine Nummer sowoeiso niemandem... wir leerten das Bier und gingen zurück.
Mittlerweile war es zwölf, die Musik wurde langsam abgebaut, die Menschen zogen sich in ihre Verschläge zurück oder legten sich irgendwo hin und auch wir machten es uns draussen neben dem "Büro" auf einer Matte "bequem", um ein bißchen die Augen zu zu machen. Nach einer Stunde wurde es dann doch kühl und ich wachte wieder auf. Dank meines Mzungu-Bonus durften wir in den Bus und dort schlafen... Um 3am startete der Motor. Wir also raus, nochmal aufs Klo, Zähne putzen, Brot kaufen und uns irgendwie zwischen die Sachen im Bus quetschen, auch dort war es mehr als voll: bis vorne zum Fahrer waren Koffer, Taschen, Kartons und Glasscheiben gepackt, überall hingen und baumelten Tüten mit Toastbrot (das gibt es fast gar nicht im Norden), riesige Säcke lagen im Gang und sollten jedes Ein- und Aussteigen zu einem Kletterakt machen. Kurz vor 4am ging es dann los. Nun lagen 11 Std Fahrt vor uns.
Immer wieder bin ich begeistert von der Schönheit und Verschiedenheit Ugandas. Das satte Grün, die etwas wilde Landschaft, Matooke-Palmen und viel Busch in Central-Uganda, dann wird es alles niedriger und langsam auch trockener, bis man rund um Gulu im Buschland ist. Nun sieht man vor allem Rundhütten, kleine Dorfgemeinschaften und auch ein paar IDP-Camps. Karuma-Falls werden passiert, eine der wenigen Brücken, die über den Nil führen und den Norden von Zentral, Süd und West-Uganda, bzw. Westnile vom Rest trennt.
Hinter Gulu gibt es dann nur noch Piste. Die raue Fahrbahn stört die Busfahrer hier allerdings recht wenig, Wenn möglich, gilt auch hier Bleifuß! 100Km/h sind auch hier immer noch zu schaffen, selbst bei mind. 20-30° Schräglage (und das beim überladenen Bus!). Nun ist es bald sengend heiß, der Fahrtwind trocknet einem die Kehle aus und benetzt einen mit einer feinen pudrigen Staubschicht, um uns nur noch Steppe, trockene Erde, gar keine Häuser, nur noch vereinzelte Hütten Ansammlungen, dafür aber viele sehr große Camps. In denen sind dann schätzungsweise 200 und mehr Hütten auf allerengstem Raum, wirklich dicht an dicht, und vermutlich leb(t)en dort 1000- 2000 Menschen. Alle seinerzeit geflohen, vor den Rebellen. Man sieht oft auch eingerissene Hütten: sie stammen wohl von denjenigen, die sich getraut haben, wieder auf eigenes Land zu ziehen. Woher die Leute außerhalb der Camps ihr Wasser bekommen ist mir ein Rätsel, denn Bohrlöcher habe ich keine entdeckt...
Irgendwann werden die Rundhütten jedoch zu Rundhäusern, d.h. die Mauern sind aus Ziegelsteinen gemacht und nicht mehr nur aus Lehm und Dung, nun ist man im Adjuman-District angekommen. Hier ist mehr als deutlich, dass sich die Regenzeit verspätet hat: Wird in Central schon fast die erste Mais-Ernte eingebracht, sind hier die Pflanzen gerde mal 30-40 cm hoch. Doch Adjumani Town ist eine feine kleine Stadt, es gibt sogar lokale Motels und Restaurants, sowie eine gute Auswahl an Läden.
Am frühen Nachmittag treffen wir noch einmal auf den Nil, dieses Mal müssen wir mit der Fähre übersetzen. Da die Schlange ein paar Fahrzeuge lang ist und immer nur 2 drauf passen haben wir Zeit für einen Mittags-Snack: frisch gefangenen und frittierten Fisch -richtig lecker! Kurz nach der Fähre liegt Laropi, von dort aus ist es noch etwa eine 3/4 Std Fahrt bis Moyo. Hier ist man in einer Gegend, die seit kanpp einem halben Jahr keinen Regen gesehen hat. Es ist gar nichts gepflanzt, wie sollte es auch wachsen? Es gibt zwar so etwas wie Morgentau, doch das ist viel zu wenig! Ich habe keine Ahnung, wie die Menschen da überleben, aber irgendwie schaffen sie es.Sobald wir den Nil überquert haben, ändert sich die Landschaft wieder. Hier gibt es nur noch Sandboden und Felsen.
Die Gegend sieht aus, als würde man auf einer Insel fahren und nicht mitten in Afrika, oder vielleicht eben doch richtig Afrika? Verbindet man nicht auch heisse Wüste mit diesem Kontinent? Doch Wüste ist es nicht, aber es ist sehr staubig hier. Nachmittags schließlich kommen wir in Moyo an.
Chandias Bruder holt uns ab und wir laufen zu ihm nach Hause, dort werden wir von Frau und Kind und der älteren Schwester begrüßt.
Am Rande Moyos werden wir die nächsten 3 Nächte in Hütten schlafen, uns draussen duschen, draussen kochen und abends im Stockfinstern schlafen -Elektrizität oder Solar gibt es hier nicht.
Nach Posho und Beans und einer warmen Außendusche machen wir uns mit der Schwester auf den Weg ins Krankenhaus, ein Verwandter liegt dort. Das Krankenhaus ist riesig, aber es nicht viel los. Ich lasse sie erst alleine zu dem Verwandten gehen, doch sie holen mich später dazu. Da sitzen wir, fünf Frauen und zwei Männer, einer davon liegt offensichtlich mit AIDS im Endstadium, dem Sterben geweiht. Doch keiner nimmt diese Worte in den Mund. Ich höre wie seine Frau telefoniert: sie redet davon, dass er eine Lungenentzündung hat, seit 2 Wochen Medikamente bekommt, doch immer schwächer geworden ist. Offiziell hat er kein AIDS, doch er liegt abgemagert da, eingefallen, zwischendurch schaut er starr und leer an die Decke, Lippen bewegen sich, doch nichts ist zu hören. Er wird sterben, bald, doch auch das spricht keiner aus. Warum nur, wird überall bei diesem Thema geschwiegen?
Nach dem Besuch gehen Chandia und ich durch Moyo, ich fotografiere ein paar Häuser, denn hier hat Sarah als Kind gelebt, bis sie vor dem Krieg, der wütete, in den Kongo und später nach Deutschland geflüchtet sind. Seitdem war sie (glaube ich) nur einmal dort. So halte ich ein bißchen vom Moyo von heute fest und dann geht es nach Hause: das obligatorische Gast-Hühnchen wartet: wie üblich hier bekommt der Gast den Rücken und den Magen und wie üblich schmeckt es recht gut. Abends trinken wir noch ein paar Bier und machen inter-kulturellen Austausch, dann irgendwann falle ich müde ins Bett.
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